Black Lens <-> Black Light
Nach der Contour Biennal 8 in Mechelen, Gasworks in London und der Temporary Gallery in Köln hat der Espace Khiasma die Ausstellung Op-Film: Eine Archäologie der Optik von Filipa César (lebt und arbeitet in Berlin) und Louis Henderson (lebt und arbeitet in Paris) vom 29.3.-28.4.2018 in Les Lilas bei Paris gezeigt. Als Echo auf die Ausstellung haben Khiasma (Paris) und Archive Kabinett (Berlin) gemeinsam ein umfangreiches Rahmenprogramm in Form experimenteller Seminare mit Diskussionsrunden, Screenings, Workshops und Performances erstellt, dessen erster Teil Ende März in Frankreich stattgefunden hat und zweiter Teil vom 24. bis 28. Oktober in Berlin stattfinden wird.
Wir haben die Initiatoren Olivier Marboeuf von Khiasma und Chiara Figone von Archive Kabinett zum Gespräch getroffen.
Wollt Ihr kurz beschreiben, wie es zu Eurem deutsch-französischen Austausch im Rahmen der Präsentation von Filipa César und Louis Henderson bei der Contour Biennale 8 in Belgien letztes Jahr kam?
Olivier Marboeuf Wir kannten uns bereits und teilen grundsätzlich viele gemeinsame Interessen, sowohl auf künstlerischer Ebene wie im Bereich der kritischen Theorien. Insbesondere das Interesse an den Möglichkeiten der Sichtbarmachung und Dekonstruktion von in der westlichen Kolonialgeschichte fußenden Denkstrukturen und Formen. Allgemeiner teilen unsere beiden Einrichtungen auch das Interesse am Politischen, nicht nur im Sinne des Gegenstands, sondern in seinen tatsächlichen Ausformungen in der Ökologie unserer Aktivitäten. Dies hat uns dazu ermutigt, unsere Zusammenarbeit in Form eines gemeinsamen Projekts mit Künstler*innen zu intensivieren, mit denen wir bereits unabhängig voneinander in unterschiedlichen Formaten (Publikationen, öffentliche Veranstaltungen, Produktion von Arbeiten) Projekte realisiert hatten.
Chiara Figone Diese Begegnung ist Teil eines langfristigen Engagements und Prozesses. Im Bewusstsein um kulturelle Verflechtungen, der Zirkulation der Welten und der Notwendigkeit grenzüberschreitender Maßnahmen – zu einer Zeit, in der Grenzen und Mauern mehr und mehr zunehmen – nehmen wir den Zusammenschluss und die -arbeit in den Blick, nicht nur als theoretischen Gegenstand, sondern auch als Praxis. Wir sind der Auffassung, dass Wissensproduktion im gemeinsamen, auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Austausch entsteht. In unserer Zusammenarbeit versuchen wir, neue Methodologien und neue Sprachformen in Erwägung zu ziehen.
Woher kam das Bedürfnis, der Ausstellung gemeinsam noch diese diskursive Ebene des Austauschs zu verschaffen?
Olivier Marboeuf Das Format des Seminars hat sich in den letzten Jahren aus dem akademischen Feld in das künstlerische verlagert. Die Kunstszene – Künstler*innen, aber auch Kurator*innen und unterstützende Institutionen – hat diesen Zeitpunkt genutzt, um Momente des gemeinsamen Denkens zu schaffen, in denen, freier als im universitären Kontext, die Formen des Gemeinsamen experimentiert werden können. Man kann sagen, dass diese Bewegung Ausdruck des Verlangens ist, sich der Isolation zu entziehen und sich vom heroischen Bild des Künstlers, der alles aus sich alleine heraus schafft, zu distanzieren. Zugleich ermöglichen sie den Kunstschaffenden, gemeinsam Formen zu entwickeln und in einem privilegierten Rahmen Erfahrungen zu sammeln. Auch für Akademiker*innen und Forscher*innen sind diese Momente freier und ermöglichen das Austesten anderer Formen des Schreibens und der Vermittlung. Die für uns ebenfalls interessanten Praktiken des Seminars liegen im langfristigen Aufbau transnationaler Allianzen zwischen Künstler*innen, Theoretiker*innen und Orten. Black Lens / Black Light ist hierfür ein schönes Beispiel.
Chiara Figone Wir denken das Ausstellungsformat zunächst als Forschungsgebiet, als lebendigen Ort des Denkens und des Handelns, als Ort des Dialogs zwischen den unterschiedlichen Teilnehmer*innen. Das Seminarformat knüpft an diese Konzeption an und steht in Dialog mit unseren verlegerischen Aktivitäten. Der gesetzte transdisziplinäre Ansatz erlaubt es uns, außerhalb des in sich abgeschlossenen akademischen Rahmens zu agieren und alternative und gemischte Formate zum bestehenden System zu denken.
Dieses Format macht es Euch auch möglich, sich den in der Ausstellung aufgeworfenen Fragen über das Optische und den Einfluss der technologischen Entwicklungen auf zwei sehr unterschiedliche Weisen anzunähern. Könntet Ihr Eure unterschiedlichen Zugänge etwas erläutern?
Olivier Marboeuf Oftmals steht hinter Ausstellungen wie OP-Film eine umfassende Forschungsarbeit, die, sobald die Arbeiten im künstlerischen Schaffensprozess Form annehmen, etwas in den Hintergrund gerät. Um den Film Sunstone und das begleitende Ausstellungsdisplay zu produzieren, haben Filipa César und Louis Henderson unzählige Dokumente zusammengetragen und Untersuchungslinien verfolgt. Op-Film diente uns also als Leitschema für das Seminar Black Lens und es umzusetzen bestand darin, die von César und Henderson aufgeworfenen Fragestellungen weiterzuverfolgen und durch weitere Einladungen von Künstler*innen und Theoretiker*innen anzuregen. Ihre Fragestellungen artikulieren sich rund um einen kritischen Ansatz neuen Sehtechnologien und der Produktion von Wirklichkeitsbildern gegenüber. Ein Bereich, der zwangsläufig auch bildende Künstler*innen in ihrem Versuch betrifft, selbst alternative Narrative schaffen zu wollen und die sich der vordergründig politischen, der kämpferischen Dimension jedweder Repräsentation von Wirklichkeit, ihres Einsatzes als Werkzeug der Kolonisation der Vorstellungswelt wie gleichzeitig der Bildung alternativer Möglichkeitsräume bewusst sind. Während der Berliner Ausgabe des Projekts – die durch eine Projektionsreihe in der Kinemathek in Karlsruhe ergänzt wird – geht es auch um den Versuch, die Methodologien neu zu denken. Mit der Theoretikerin Denise Ferreira da Silva und ihrem Universitätsprogramm in Vancouver (Kanada) stellen wir uns ausgehend von der sozialen Gerechtigkeit die Fragen nach kolonialer Gewalt und der Ökonomie der Sichtbarkeit. Das kommende Seminar entwickelt sich also in Nachbarschaft zu jenem in Paris, jedoch geht es dabei primär um die Möglichkeit, diese Formen der Begegnung im Laufe der Zeit in unterschiedlichen Bereichen umzusetzen. Es handelt sich insofern um ein strategisches Unterfangen, welches die Grundlagen für alle weiteren Aktivitäten schaffen soll.
Was und wer wird uns Ende des Monats in Berlin genau erwarten?
Olivier Marboeuf Hier werden Fachleute zusammentreffen, die um die kulturelle, politische und materielle Situation in Europa und generell in den Industrieländern besorgt sind. Spezifischer um das Auftreten eines rassistischen, xenophoben und sexistischen Diskurses. Es wird um das Verlangen nach der Schaffung sicherer Orte und die Suche nach alternativen Formen zu einer dem neoliberalen Markt unterworfenen Kunst gehen. Ebenfalls wird die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit südlichen Ländern, insbesondere den Kontinenten Afrikas und Südamerikas angesprochen. Außerdem sehen wir uns Filme, Performances und alternative Ausdrucksformen unserer Gegenwart an.
Chiara Figone Während unseres Austausches werden wir auf mehreren Ebenen arbeiten. Einerseits denken wir gemeinsam über die Möglichkeit der Bildung eines grenzüberschreitenden Forschungs- und Produktionsnetzwerks nach und andererseits stellen wir gleichzeitig deren Öffnung dem Publikum gegenüber her. Im Gespräch befragen wir unter folgenden systematischen Gesichtspunkten die Welt von heute: den Kapitalismus als auf einem Rassifizierungsprozess fundiertes und damit von unterschiedlichen Formen des Rassismus untrennbares System denkend, das moderne eurozentrische Denken als intrinsischer Teil dieses Machtregimes und die Kolonialität der Macht als Dynamik, die sich in bestimmten ökonomische und politischen Modellen wie Formen der Wissensproduktion fortsetzen. Wir werden Wege mit unterschiedlichen Momenten der Restitution in Raum und Zeit, kurz- wie langfristig nachzeichnen.
Vielen Dank für das Gespräch, wir freuen uns sehr auf die kommenden Veranstaltungen im Archive Kabinett in Berlin!
TERMINE
- 29.-30.3.2018: Seminar „Black Lens“ in La Colonie und Abendveranstaltung im MK2 Beaubourg, Paris
- 28.-30.6.2018: Workshop „Black Light“ Archive Kabinett Berlin
- 24.-26.10.2018: Seminar „Black Light“ Archive Kabinett Berlin
- 25.10.2018, 19 Uhr: Screening „Odyssey“ von Sabine Groenewegen und Lecture von Jörgen “Unom” Gario, anschließende Gesprächsrunde, Archive Kabinett Berlin
- 26.10.2018, 20 Uhr, Archive Kabinett Berlin: öffentliche Diskussionsrunde mit den Workshopteilnehmer*innen Phanuel Antwi, Eric de Bruyn, Mustafa Emin, Kodwo Eshun, Emma Haugh, Louis Henderson, Suza Husse, Quinsy Gario, Natasha Ginwala, Raphaël Grisey, Sabine Groenewegen, Bettina Malcomess, Diana McCarty, Doreen Mende, Jota Mombaça, Arjuna Neuman, Rachel O’Reilly, Camilla Rocha Campos, Krista Belle Stewart, Wendelien van Oldenborgh, Anjalika Sagar, Susanne M. Winterling, Moro Yapha, Marika Yeo und Vivian Ziherl:
1- Records / Archives, Technologies of the Eye, the Sonic
2- The Global Condition, Raw Materialism, Inscriptions,
Extractivism, Transplants
3- Collective practices, Body, Voice, Language / Translation