IEPA#4 <-> Dennis Siering

 IEPA#4 <-> Dennis Siering Dennis Siering, Expedition Jaizkibel-Region, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering Perspektive
Dennis Siering, Expedition Jaizkibel-Region, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering

Die abschließende Ausgabe des IEPA-Austauschprogramms zwischen NEKaTOENEa in Hendaye und der basis in Frankfurt, das seit 2016 besteht, hat dieses Jahr dem Künstler Dennis Siering aus Hessen einen Residency-Aufenthalt in Südfrankreich und der französischen Künstlerin Pauline Castra aus Nouvelle-Aquitaine in Frankfurt ermöglicht. In den letzten Jahren waren die Künstler*innen Alizée Armet, Bianca Baldi, Béranger Laymond, Lilly Lulay, Ilazki de Portuondo und Mark Schreiber in das Austauschprogramm involviert. Die Ergebnisse der Arbeitsstipendien werden anschließend wie bereits bei den ersten drei Ausgaben in gemeinsamen Ausstellungen in Deutschland und Frankreich und in Form einer Publikation präsentiert.

Der Künstler Dennis Siering hat die letzten drei Monate in Hendaye in der Region Nouvelle-Aquitaine an der Grenze zu Spanien verbracht und gearbeitet. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen.


Lieber Dennis Siering, waren Sie bereits einmal in der Region Nouvelle-Aquitaine bzw. schon einmal länger in Frankreich oder war dies Ihr erster längerer Aufenthalt? Wie hat es Ihnen gefallen?

Dennis Siering Die ersten Familienurlaube und damit auch eine Menge an Kindheitserinnerungen hängen für mich mit Südfrankreich und der Atlantikküste zusammen, sodass ich schon ein ungefähres Bild von der Region hatte. In den letzten Jahren kam es auch immer wieder zu kürzeren Aufenthalten in Frankreich. Die Zeit vor Ort war einfach unglaublich und vor allem die Vielfältigkeit des Baskenlandes hat mich nachhaltig beeindruckt. Die Residency liegt in einem Naturschutzgebiet am Rande von Hendaye und sowohl das Atelier als auch die Wohnung sind in einem ehemaligen Bauernhaus, welches im 18. Jahrhundert errichtet wurde, untergebracht. Das Anwesen wirkt magisch und verwunschen, im Dachstuhl des Hauses wohnt eine Eule samt Nachwuchs und in Sichtweite befindet sich das Schloss Abbadie: Alles wirkt ein wenig surreal und wäre ich nicht selbst dort gewesen, ich würde nicht glauben, dass es diesen Ort so tatsächlich gibt.

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Dennis Siering, No Maps for These Territories, 2018, Foto: Elena Osmann

In Ihrer Arbeit beschäftigen Sie sich mit dem Verhältnis des Menschen zur Natur und die Frage, inwieweit die Natur, wie wir sie als natürlich wahrnehmen, nicht bereits immer schon als eine vom Menschen kultivierte und veränderte ist. In Ihrer Arbeit „No Maps for These Territories” wird dies besonders gut sichtbar. Könnten Sie uns ein paar Worte zu dieser Arbeit sagen, die im Rahmen ihres Diploms letztes Jahr entstanden ist?

Dennis Siering Im Rahmen meines Studiums hat sich bei mir ein Schwerpunkt in Richtung installativer und skulpturaler Arbeiten herausgebildet. Daraus hat sich im weiteren Verlauf und bei der Konzeption ein stetiges Interesse entwickelt, meine Arbeiten so zu konzipieren, dass sie mir die Möglichkeit bieten, im Ausstellungskontext auf vorhandene Architekturen einzugehen oder diese bei der Präsentation der Arbeit mitzudenken. Durch dieses Interesse entstanden zuletzt eine Reihe modular angelegter Arbeiten, die mir immer wieder ermöglichen sollen, diese je nach Ausstellungskontext zu erweitern oder zu reduzieren. Die Installation No Maps for These Territories gehört zu dieser Form von Arbeiten. Die Installation besteht aus einer Reihe von quadratischen und modularen Elementen, deren Gestaltung auf den Abgüssen eines echten Rifffelsens basieren. Die einzelnen Module sind dabei stellenweise in einer technoiden Ästhetik durch Aluminiumrohre verbunden. Die Setzung im Raum, die formale Ausarbeitung der Installation, aber auch die inhaltlichen Ebenen der Arbeit lehnen dabei an einer Vielzahl von verschiedenen Objekten und Zuständen an, die mich in der Ausarbeitung der Installation inspiriert haben. Solche waren zum Beispiel: Koordinatensysteme, Landkarten, Abwasser- und Wassersysteme, oder aber auch der Verlauf von Leiterbahnen innerhalb von Schaltkreisen. Die Arbeit schlägt dabei spekulativ die Realisierung eines neuen symbiotischen Systems zwischen dem Organischen und dem Anorganischen vor.

Sie interessieren der Einfluss des Menschen auf die Natur, ihre Wahrnehmung durch den Menschen und der Wandel in diesen Wahrnehmungsformen im Laufe der Geschichte. In Ihren Arbeiten kontrastieren sie natürlich-organisch anmutende mit sichtbar vom Menschen erzeugten Materialien, die das Natürliche zu beherrschen wollen scheinen. Ist für Sie die Unterscheidung zwischen Kultur und Natur noch eine sinnvolle bzw. wie steht es um das Verhältnis zwischen ihnen?

Dennis Siering Die Geschichte der Menschheit ist für mich auch immer die Geschichte ihrer technologischen Errungenschaften und des damit vorangetriebenen Fortschritts. Schon immer hat der Mensch sich technologischer Werkzeuge bedient, um seine Umwelt zu formen oder sich nützlich zu machen. Dabei hat sich unter anderem durch technologischen Fortschritt auch immer wieder unser Verhältnis zur „Natur“ verändert und die Art und Weise, wie wir diese wahrnehmen und begreifen. Mal haben wir Natur als Wildnis, die es zu bezwingen gilt, wahrgenommen oder auch mal als idealisiertes Gegenüber, mit dem wir in Einklang existieren wollen. Letztendlich denke ich, befinden wir uns nun in einer Zeit, in der die vom Menschen gestaltete „Natur“ und die vom Menschen weitgehend unbeeinflusste „Naturlandschaft“ undurchdringlich miteinander verwoben zu sein scheint. Die Grenzen dieses Zustandes werden denke ich zunehmend fließend. Dieses Spannungsgefüge diente mir auch schon oft als Ausgangspunkt und Inspiration und spiegelt sich zuletzt in abstrakter Art und Weise in diversen Arbeiten wider, indem natürliche und synthetische Materialien aufeinandertreffen und unauflöslich miteinander verbunden zu sein scheinen.

Wie denken Sie, wird sich dieses Verhältnis in der Zukunft weiterentwickeln?

Dennis Siering Es kommt zur absoluten Auflösung der Verhältnisse.

 IEPA#4 <-> Dennis Siering Dennis Siering, Vertical Memory, 2017-2019, Foto: Stefan Stark  Perspektive
Dennis Siering, Vertical Memory, 2017-2019, Foto: Stefan Stark

Die Arbeit „No Maps for These Territories” war auch Ausgangspunkt ihres Aufenthalts in Hendaye. Sie wollten die Residenz für geografische Untersuchungen vor Ort nutzen und die Arbeit formal weiterentwickeln. Was ist in den letzten drei Monaten passiert?

Dennis Siering Die Leiterin Elke Roloff des Residency-Programms vor Ort hat mich mit ortsansässigen Geologen in Verbindung gebracht. Durch den angeregten Austausch mit den Geologen konnte ich diverse geologische Formationen in abgelegenen Bereichen der baskischen Küste finden. Auch wurde hierdurch mein Interesse für das Wüstengebiet „Bardenas Reales“ geweckt. An einigen dieser Orte konnte ich unter anderem zuletzt neue Abgüsse realisieren. Im weiteren Prozess meiner Arbeit werden sich die neuen Abgüsse in die bestehende Installation No Maps for These Territories eingliedern, um diese um das Erscheinungsbild diverser Klimazonen zu erweitern.

Und nun zum Schluss ganz kurz, was waren für Sie die wichtigsten Erfahrungen während der Zeit in Frankreich?

Die Residency liegt in leichter Distanz zu der Stadt auf einem Hügel mitten im Wald. An diesem sehr reizarmen und abgeschiedenen Ort mitten im Naturschutzgebiet drei Monate künstlerisch arbeiten zu dürfen, war eine unglaublich interessante, inspirierende und intensive Erfahrung für meine Wahrnehmung und mich selbst!

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, wir sind gespannt auf die Präsentation in Frankfurt!

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Dennis Siering, Work in Progress - Baie de Loia, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering Perspektive
Dennis Siering, Work in Progress - Baie de Loia, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering

Dennis Siering wurde 1983 in Solingen in Nordrhein-Westphalen geboren und lebt und arbeitet in Frankfurt und Offenbach am Main. Er studierte an der HFG Offenbach bei Wolfgang Luy und Susanne Winterling und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Hubert Kiecol. Die Residency in NEKaTOENEa in Hendaye hat von Juli bis September 2019 stattgefunden und die Ergebnisse werden gemeinsam mit Arbeiten von Pauline Castra vom 24.01. bis 08.03.2020 in der basis Frankfurt, anschließend in Frankreich gezeigt und es erscheint eine gemeinsame Publikation.


Das Gespräch wurde im Oktober 2019 mit Stefanie Steps, Kulturbeauftragte des Bureau des arts plastiques, geführt.