IEPA #4

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produktions- und ausstellungsplattform basis e.v, Frankfurt am Main © basis Frankfurt

Organisator*innen: NEKaTOENEa (Hendaye), basis (Frankfurt), Elke Roloff (Hendaye) und Felix Ruhöfer (Frankfurt), Kuratoren
Teilnehmer*innen:
Alizée Armet, Bianca Baldi, Béranger Laymond, Lilly Lulay, Ilazki de Portuondo, Mark Schreiber, Pauline Castra & Dennis Siering im Rahmen der Ausschreibung 2019
Daten: März 2019 – Mai 2020
Orte: NEKaTOENEa (Hendaye), basis (Frankfurt)

IEPA #4: International Exchange Program for Artists ist der letzte Teil eines Künstleraustauschprogramms in Form von dreimonatigen Stipendien, die gleichzeitig in Frankreich und in Deutschland durchgeführt werden. Das Austauschprogramm richtet sich an junge Künstler*innen des Landes Hessen und der Region Nouvelle-Aquitaine. Durch Begegnungen mit anderen regionalen Künstler*innen, Kurator*innen und kulturellen Einrichtungen und der Organisation von Kunstvermittlungsaktionen für ein breites Publikum schafft IEPA #4 einen Raum, in dem die Reflexion über und die künstlerische Auseinandersetzung mit den gegebenen Unterschieden (Kunst im ländlichen Frankreich / Kunst in einer Metropole in Deutschland) gefördert und gleichzeitig ein grenzüberschreitendes Netzwerk etabliert wird. Die Recherche und die künstlerische Arbeit der teilnehmenden Künstler*innen soll dabei auf diesen Rahmen Bezug nehmen.

Mit IEPA #4 wird das gemeinsame Austauschprojekt, das seit 2016 jährlich zwischen Deutschland und Frankreich durchgeführt wird, abgeschlossen. Die Idee ist, zusammen mit den Künstler*innen über das Austauschprojekt zu debattieren, um es zukünftig europaweit mit Fachleuten und Künstler*innen in anderen Ländern umzusetzen.

  • März: Open Call für Residenz
  • Juli – Oktober / November: Residenzen in Hendaye und Frankfurt
  • Juli 2019 März 2020: reguläre Treffen
  • 24.01.2020 bis 01.03.2020: Ausstellung “Pauline Castra, Dennis Siering: iepa #04″, basis Frankfurt, Eröffnung 23.01. 19:00
  • Edition, tba

Interview: Dennis Siering

 

 IEPA#4 <-> Dennis Siering Dennis Siering, Expedition Jaizkibel-Region, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering Perspektive

Dennis Siering, Expedition Jaizkibel-Region, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering

Die abschließende Ausgabe des IEPA-Austauschprogramms zwischen NEKaTOENEa in Hendaye und der basis in Frankfurt, das seit 2016 besteht, hat dieses Jahr dem Künstler Dennis Siering aus Hessen einen Residency-Aufenthalt in Südfrankreich und der französischen Künstlerin Pauline Castra aus Nouvelle-Aquitaine in Frankfurt ermöglicht. In den letzten Jahren waren die Künstler*innen Alizée Armet, Bianca Baldi, Béranger Laymond, Lilly Lulay, Ilazki de Portuondo und Mark Schreiber in das Austauschprogramm involviert. Die Ergebnisse der Arbeitsstipendien werden anschließend wie bereits bei den ersten drei Ausgaben in gemeinsamen Ausstellungen in Deutschland und Frankreich und in Form einer Publikation präsentiert.

Der Künstler Dennis Siering hat die letzten drei Monate in Hendaye in der Region Nouvelle-Aquitaine an der Grenze zu Spanien verbracht und gearbeitet. Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen.


Lieber Dennis Siering, waren Sie bereits einmal in der Region Nouvelle-Aquitaine bzw. schon einmal länger in Frankreich oder war dies Ihr erster längerer Aufenthalt? Wie hat es Ihnen gefallen?

Dennis Siering Die ersten Familienurlaube und damit auch eine Menge an Kindheitserinnerungen hängen für mich mit Südfrankreich und der Atlantikküste zusammen, sodass ich schon ein ungefähres Bild von der Region hatte. In den letzten Jahren kam es auch immer wieder zu kürzeren Aufenthalten in Frankreich. Die Zeit vor Ort war einfach unglaublich und vor allem die Vielfältigkeit des Baskenlandes hat mich nachhaltig beeindruckt. Die Residency liegt in einem Naturschutzgebiet am Rande von Hendaye und sowohl das Atelier als auch die Wohnung sind in einem ehemaligen Bauernhaus, welches im 18. Jahrhundert errichtet wurde, untergebracht. Das Anwesen wirkt magisch und verwunschen, im Dachstuhl des Hauses wohnt eine Eule samt Nachwuchs und in Sichtweite befindet sich das Schloss Abbadie: Alles wirkt ein wenig surreal und wäre ich nicht selbst dort gewesen, ich würde nicht glauben, dass es diesen Ort so tatsächlich gibt.

 IEPA#4 <-> Dennis Siering Dennis Siering, No Maps for These Territories, 2018, Foto: Elena Osmann Perspektive

Dennis Siering, No Maps for These Territories, 2018, Foto: Elena Osmann

In Ihrer Arbeit beschäftigen Sie sich mit dem Verhältnis des Menschen zur Natur und die Frage, inwieweit die Natur, wie wir sie als natürlich wahrnehmen, nicht bereits immer schon als eine vom Menschen kultivierte und veränderte ist. In Ihrer Arbeit „No Maps for These Territories” wird dies besonders gut sichtbar. Könnten Sie uns ein paar Worte zu dieser Arbeit sagen, die im Rahmen ihres Diploms letztes Jahr entstanden ist?

Dennis Siering Im Rahmen meines Studiums hat sich bei mir ein Schwerpunkt in Richtung installativer und skulpturaler Arbeiten herausgebildet. Daraus hat sich im weiteren Verlauf und bei der Konzeption ein stetiges Interesse entwickelt, meine Arbeiten so zu konzipieren, dass sie mir die Möglichkeit bieten, im Ausstellungskontext auf vorhandene Architekturen einzugehen oder diese bei der Präsentation der Arbeit mitzudenken. Durch dieses Interesse entstanden zuletzt eine Reihe modular angelegter Arbeiten, die mir immer wieder ermöglichen sollen, diese je nach Ausstellungskontext zu erweitern oder zu reduzieren. Die Installation No Maps for These Territories gehört zu dieser Form von Arbeiten. Die Installation besteht aus einer Reihe von quadratischen und modularen Elementen, deren Gestaltung auf den Abgüssen eines echten Rifffelsens basieren. Die einzelnen Module sind dabei stellenweise in einer technoiden Ästhetik durch Aluminiumrohre verbunden. Die Setzung im Raum, die formale Ausarbeitung der Installation, aber auch die inhaltlichen Ebenen der Arbeit lehnen dabei an einer Vielzahl von verschiedenen Objekten und Zuständen an, die mich in der Ausarbeitung der Installation inspiriert haben. Solche waren zum Beispiel: Koordinatensysteme, Landkarten, Abwasser- und Wassersysteme, oder aber auch der Verlauf von Leiterbahnen innerhalb von Schaltkreisen. Die Arbeit schlägt dabei spekulativ die Realisierung eines neuen symbiotischen Systems zwischen dem Organischen und dem Anorganischen vor.

Sie interessieren der Einfluss des Menschen auf die Natur, ihre Wahrnehmung durch den Menschen und der Wandel in diesen Wahrnehmungsformen im Laufe der Geschichte. In Ihren Arbeiten kontrastieren sie natürlich-organisch anmutende mit sichtbar vom Menschen erzeugten Materialien, die das Natürliche zu beherrschen wollen scheinen. Ist für Sie die Unterscheidung zwischen Kultur und Natur noch eine sinnvolle bzw. wie steht es um das Verhältnis zwischen ihnen?

Dennis Siering Die Geschichte der Menschheit ist für mich auch immer die Geschichte ihrer technologischen Errungenschaften und des damit vorangetriebenen Fortschritts. Schon immer hat der Mensch sich technologischer Werkzeuge bedient, um seine Umwelt zu formen oder sich nützlich zu machen. Dabei hat sich unter anderem durch technologischen Fortschritt auch immer wieder unser Verhältnis zur „Natur“ verändert und die Art und Weise, wie wir diese wahrnehmen und begreifen. Mal haben wir Natur als Wildnis, die es zu bezwingen gilt, wahrgenommen oder auch mal als idealisiertes Gegenüber, mit dem wir in Einklang existieren wollen. Letztendlich denke ich, befinden wir uns nun in einer Zeit, in der die vom Menschen gestaltete „Natur“ und die vom Menschen weitgehend unbeeinflusste „Naturlandschaft“ undurchdringlich miteinander verwoben zu sein scheint. Die Grenzen dieses Zustandes werden denke ich zunehmend fließend. Dieses Spannungsgefüge diente mir auch schon oft als Ausgangspunkt und Inspiration und spiegelt sich zuletzt in abstrakter Art und Weise in diversen Arbeiten wider, indem natürliche und synthetische Materialien aufeinandertreffen und unauflöslich miteinander verbunden zu sein scheinen.

Wie denken Sie, wird sich dieses Verhältnis in der Zukunft weiterentwickeln?

Dennis Siering Es kommt zur absoluten Auflösung der Verhältnisse.

 IEPA#4 <-> Dennis Siering Dennis Siering, Vertical Memory, 2017-2019, Foto: Stefan Stark  Perspektive

Dennis Siering, Vertical Memory, 2017-2019, Foto: Stefan Stark

Die Arbeit „No Maps for These Territories” war auch Ausgangspunkt ihres Aufenthalts in Hendaye. Sie wollten die Residenz für geografische Untersuchungen vor Ort nutzen und die Arbeit formal weiterentwickeln. Was ist in den letzten drei Monaten passiert?

Dennis Siering Die Leiterin Elke Roloff des Residency-Programms vor Ort hat mich mit ortsansässigen Geologen in Verbindung gebracht. Durch den angeregten Austausch mit den Geologen konnte ich diverse geologische Formationen in abgelegenen Bereichen der baskischen Küste finden. Auch wurde hierdurch mein Interesse für das Wüstengebiet „Bardenas Reales“ geweckt. An einigen dieser Orte konnte ich unter anderem zuletzt neue Abgüsse realisieren. Im weiteren Prozess meiner Arbeit werden sich die neuen Abgüsse in die bestehende Installation No Maps for These Territories eingliedern, um diese um das Erscheinungsbild diverser Klimazonen zu erweitern.

Und nun zum Schluss ganz kurz, was waren für Sie die wichtigsten Erfahrungen während der Zeit in Frankreich?

Die Residency liegt in leichter Distanz zu der Stadt auf einem Hügel mitten im Wald. An diesem sehr reizarmen und abgeschiedenen Ort mitten im Naturschutzgebiet drei Monate künstlerisch arbeiten zu dürfen, war eine unglaublich interessante, inspirierende und intensive Erfahrung für meine Wahrnehmung und mich selbst!

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, wir sind gespannt auf die Präsentation in Frankfurt!

 IEPA#4 <-> Dennis Siering      
Dennis Siering, Work in Progress - Baie de Loia, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering Perspektive

Dennis Siering, Work in Progress – Baie de Loia, Nouvelle-Aquitaine © Dennis Siering

Dennis Siering wurde 1983 in Solingen in Nordrhein-Westphalen geboren und lebt und arbeitet in Frankfurt und Offenbach am Main. Er studierte an der HFG Offenbach bei Wolfgang Luy und Susanne Winterling und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Hubert Kiecol. Die Residency in NEKaTOENEa in Hendaye hat von Juli bis September 2019 stattgefunden und die Ergebnisse werden gemeinsam mit Arbeiten von Pauline Castra vom 24.01. bis 08.03.2020 in der basis Frankfurt, anschließend in Frankreich gezeigt und es erscheint eine gemeinsame Publikation.


Das Gespräch wurde im Oktober 2019 mit Stefanie Steps, Kulturbeauftragte des Bureau des arts plastiques, geführt.

Interview: Pauline Castra

 IEPA#4 <-> Pauline Castra Pauline Castra, Panse tête à Pompéi, 2018 Perspektive

Pauline Castra, Panse tête à Pompéi, 2018

Die in Bordeaux lebende Künstlerin Pauline Castra, die im Bereich der Skulptur arbeitet, ist aktuell seit Anfang September für eine Dauer von drei Monaten mit dem IEPA-Arbeitsstipendium in der basis in Frankfurt. Fast zeitgleich war Dennis Siering mit dem Austausch-Stipendium, das im Rahmen des Fonds PERSPEKTIVE stattfindet, in NEKaTOENEa in Hendaye. Anfang des kommenden Jahres werden die Ergebnisse im Rahmen einer Ausstellung und gemeinsamen Publikation in Frankfurt und in Hendaye präsentiert.

Wir haben mit Pauline Castra über ihre Erfahrungen in Frankfurt und die noch verbleibende Zeit gesprochen.


Liebe Pauline Castra, Sie sind nun seit etwa zwei Monaten in Frankfurt. Wie nehmen Sie die dortige Kunstszene wahr?

Pauline Castra Ich muss zugeben, dass ich ob der der großen Vielfalt der künstlerischen Projekte überrascht war. Ich hatte nicht erwartet, so viele Ausstellungen zu sehen, die untereinander so unterschiedlich sind. Auch außerhalb Frankfurts besitzen alle Städte sehr schöne Museen mit ausgezeichneten Sammlungen wie beispielsweise in Wiesbaden. Ich war vor Kurzem da: wirklich ein sehr angenehmer Ort, an dem sich bildende Kunst, Naturkunde und Ethnographie überschneiden. Ich habe dort unter anderem eine sehr schöne Jugendstil-Sammlung von F. W. Neess gesehen und mit der Ausstellung zu aufstrebenden deutschen Maler*innen, Now! Malen in Deutschland heute, eine wunderbare Entdeckung gemacht. Ganz zu schweigen von der dortigen Sammlung moderner Kunst mit sehr schönen Werken von Rebecca Horn, Donald Judd, Yves Klein und natürlich Beuys. Ein wirklich sehr schöner Ort, und eine besonders großzügige Hängung!

Stellen Sie Unterschiede zu Bordeaux, wo sie aktuell arbeiten, fest?

Pauline Castra Es ist für mich schwierig, die beiden Szenen zu vergleichen. Sie und ihre Kontexte sind sehr unterschiedlich. Aber um auf das zurückzukommen, was ich vorhin gesagt habe: ich war überrascht von den unzähligen Museen und der Qualität der gezeigten Ausstellungen. Dieser kulturelle Reichtum ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Deutschland ein föderaler Staat ist. Die Länder scheinen die regionalen Kulturszenen, welche die Vielfalt künstlerischer Produktion antreiben, stark zu unterstützen.

 IEPA#4 <-> Pauline Castra Relève de nuit, Recherchen während der Residenz, Taschenlampenaufnahme, Liebieghaus, Frankfurt 2019 Perspektive

Relève de nuit, Recherchen während der Residenz, Taschenlampenaufnahme, Liebieghaus, Frankfurt 2019

Welche Kunsträume und Projekte sind Ihnen in Frankfurt aufgefallen?

Pauline Castra Natürlich der Kunstraum basis, in dem ich untergebracht bin. Im Herzen der Stadt stellt er eine Quelle der lokalen Kunstszene und einen Raum für Forschung und Produktion dar, der der Kreativität gewidmet ist.  Und aus persönlicher Sicht unterstützt mich das basis-Team ungemein in meinen aktuellen Recherchen.

Oder der Projektraum fffriedrich, der von Studierenden – vorwiegend des Masterstudiengangs Curatorial Studies der Städelschule und der Goethe-Universität – bespielt und betrieben wird. Wahrhaft ein Ort des künstlerischen Experimentierens, an dem die Studierenden unmittelbar mit kuratorischen Fragen konfrontiert werden. Seitdem ich in Frankfurt bin, trifft man mich hier öfter an.

Ich könnte auch einfach das gesamte Museumsufer nennen. Dieser Stadtteil Frankfurts liegt am Mainufer mit sehr schönen Einrichtungen, die nicht nur der bildenden Kunst, sondern auch der Ethnografie, Filmografie, Fotografie, Architektur etc. gewidmet sind. Eine großartige Entdeckung!  Auf mein Projekt bezogen denke ich vor allem an das Liebieghaus. Das ebenfalls am Ufer befindliche Museum zeigt die Skulpturensammlung der Liebieghaus-Stiftung mit Werken aus der Antike, dem Mittelalter bis hin zu neoklassizistischen Werken. Über die Sammlung hinaus hat der Ort an sich meine Arbeit stark beeinflusst und inspiriert.

Sie haben nun bereits 2/3 der Residenz hinter sich, ein Monat liegt noch vor Ihnen. Sie hatten sich für Ihre Residenz die Suche nach Objekten vorgenommen. Objekte, die für Ihr persönlich Erlebtes in Frankfurt stehen sollen und die sie mit Ihren bestehenden Arbeiten, wie sie kürzlich an der ESAPB Cité des Arts in Bayonne gezeigt wurden, überlagern. Sind Sie bereits fündig geworden?

Pauline Castra Im Gegensatz zu meiner bisherigen Praxis wollte ich dieses Mal bei null anfangen und alles direkt vor Ort produzieren. Für die Ausstellung Tout le monde se repose ici sauf moi, die an der ESAPB gezeigt wurde, bin ich von einem Konvolut bereits bestehender Abgüsse ausgegangen und habe ein skulpturales Dispositiv rundherum konzipiert. Da mir die Sammlung aber nicht gehört, existierte die Arbeit nur für die Dauer der Ausstellung. Schlussendlich, selbst wenn ich das Projekt nochmals neu denken würde, würde die Arbeit so, wie ich sie in Bayonne gedacht hab, nicht mehr existieren. Dies hängt von dem Status der Artefakte und der Art und Weise, wie ich sie benutze, ab. Im Rahmen des IEPA-Programms wollte ich den Prozess des Sammelns anders erleben, nicht im Sinne der Verlagerung von Objekten, sondern durch indirekte Zeugnisse. Zudem habe ich mich auf zurückgelassene Elemente, nämlich Bauschutt des Gebäudes fokussiert. Dies architektonischen Fragmente, die einst den Rahmen des Museums darstellten, lagern nun einsam und verbannt hinter dem Museum. Ohne sie appropriieren oder bewegen zu können stellt sich die Frage nach unserem Umgang mit diesen Formen. Genau dies ist Zentrum meiner aktuellen Auseinandersetzungen.

 IEPA#4 <-> Pauline Castra Pauline Castra, Tout le monde se repose ici sauf moi, ESAPB, Bayonne 2019 Perspektive

Pauline Castra, Tout le monde se repose ici sauf moi, ESAPB, Bayonne 2019

Sie interessieren sich für vorgefundene Objekte mit einer eigenen Geschichte und Zeitlichkeit, die sie in ihren skulpturalen Settings neu kontextualisieren. Können Sie uns etwas zur Entstehung und Entwicklung Ihrer Skulpturen, an denen Sie aktuell arbeiten, erzählen?

Pauline Castra Zunächst gibt es die Phase des Sammelns, Jagens und Suchens… Ich recherchiere, laufe herum und hinterfrage das Gefundene. Dabei kann ich ein neues Projekt definieren oder auch nur ein bereits gedachtes Konzept bedienen. Es kommt vor, dass ich ein und dasselbe Artefakt für mehrere Arbeiten durchdenke. Mir gefällt die Idee, dass diese Objekte mit der Bewegung kommen und gehen: vom ursprünglichen Fundort ins Atelier, vom Lager in den Ausstellungsraum, von einem Raum zum nächsten. In Wirklichkeit zirkulieren sie ständig. Aber wie ich bereits erwähnte, wollte ich für das IEPA-Programm den Prozess anders angehen. Ich wollte die Formen nicht vereinnahmen, sondern sie bloß leihen. Wie kann man Objekte ohne ihre Anwesenheit begreifen? Wie kann man etwas sichtbar oder zumindest zugänglich machen, das unsichtbar ist? Diese Fragestellungen versuche ich über Untersuchungen des Begriffs des Archivs zu beantworten.

Mit dieser Neukontextualisierung produzieren Sie ein durchaus persönliches Narrativ. Welchen Stellenwert beziehungsweise welche Bedeutung hat die Materialisierung Ihrer persönlichen Erfahrungen in den Ausstellungsobjekten?

Pauline Castra Ich sehe diese persönlichen Erfahrungen als Schwebezustände. Das Spielen mit diesen etwas prekären Gleichgewichten erstarrt für die Dauer der Ausstellung. Die ausgestellten Objekte scheinen in dieser Zeit ihren festen Platz gefunden zu haben. Für diesen Zeitraum überlasse ich ihnen innerhalb der Skulpturen einen Ort zum Existieren, an dem sie gewürdigt werden können. Ich denke es geht darum, sich um diese Artefakte zu kümmern, ihnen ein bisher unbemerktes ästhetisches Interesse und neuen Wert zu verschaffen.

Und nun zum Schluss ganz kurz, welche Erfahrungen waren bis jetzt für Sie die wichtigsten während Ihres Aufenthaltes in Frankfurt?

Pauline Castra Ich würde sagen alle Erfahrungen im Rahmen dieser Residency sind neu für mich und stellen meinen künstlerischen Auseinandersetzungen eine neue Herausforderung. Mit meinem besonderen Interesse für die Konstruktion von Geschichte und ihrer Materialisierung war ich besonders vom Dom-Römer-Viertel beeindruckt. Dieses Stadtviertel selbst steht als Denkmal. Das architektonische Ensemble, nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruiert, steht für eine bestimmte Identitätssuche, den Willen, ein wenig Altes in die durch und durch zeitgenössische Stadt zu bringen. Aber schlussendlich bleibt auch das Dom-Römer-Viertel ein modernes Viertel.

Haben Sie vielen Dank für Ihre Zeit!

 IEPA#4 <-> Pauline Castra Pauline Castra, Noeud de forme, Rennes 2016 / Pauline Castra, Tout le monde se repose ici sauf moi, ESAPB, Bayonne 2019 Perspektive

Pauline Castra, Noeud de forme, Rennes 2016 / Pauline Castra, Tout le monde se repose ici sauf moi, ESAPB, Bayonne 2019

Pauline Castra wurde 1990 in Mont-de-Marsan geboren, lebt und arbeitet in Bordeaux. Die Künstlerin studierte an der DNSEP, EESAB in Rennes und der DNAP, ESA Pyrénées in Pau. Die Residenz findet gerade bis Ende November in der basis in Frankfurt statt. Die Ergebnisse werden gemeinsam mit den Arbeiten von Dennis Siering vom 24.01.2020 bis 08.03.2020 im Kunstraum basis, dann in Frankreich mit einem gemeinsamen Katalog präsentiert.


Das Gespräch wurde im Oktober 2019 mit Stefanie Steps, Kulturbeauftragte des Bureau des arts plastiques, geführt.

Ausschreibung IEPA#4

 Ausschreibung IEPA #4  Perspektive

 Ausschreibung IEPA #4  Perspektive