Dé-jardiner

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Karine Bonneval, Devenir-plante, 2017, Filmstill © Karine Bonneval

Organisator*innen: gr_und (Berlin), Karine Bonneval (Jalognes) und Delphine Marinier (Berlin), Kuratorinnen
Teilnehmer*innen:
Marisa Benjamim, Karine Bonneval, Maider Elcano, Karen Houle, Emmanuel Hubaut, Nelly Monnier, Chloé Silbano, Myriel Milicevic-Nina Blume, Between Us and Nature – A Reading Club (Eva-Fiore Kovacovsky, artist, and Sina Ribak, environmental & cultural manager)
Daten: Mai 2019 – Januar 2020
Orte: gr_und (Berlin), Le Transpalette (Bourges)

In Anknüpfung an die Ausstellung von Karine Bonneval im Sommer 2018 im Botanischen Museum Berlin hat das Team des Projektraums gr_und die Künstlerin eingeladen, im Rahmen der vom Institut français Deutschland initiierten deutschen Ausgabe der „Rendezvous im Garten 2019“ das Projekt Dé-jardiner (der Titel geht auf Bénédicte Ramade zurück) mitzukuratieren. Start des Projekts ist eine dreiwöchige kollaborativen Künstlerresidenz in Berlin, bei der die Konturen der Installation gemeinsam festgelegt werden. Das Ergebnis wird dann im Rahmen der anschließenden internationalen Gruppenausstellung präsentiert. Ende des Jahres stellt Karine Bonneval die Ergebnisse des Projekts außerdem bei einem Workshop im Rahmen der von Jens Hauser und Anaiara Ronado kuratierten Ausstellung OU /ERT: Phytophilie Chlorophobie Savoirs Situés in Bourges öffentlich vor.

Ist der urbane Garten ein Trugbild? Ein von und für Menschen geschaffener Raum, ein formales Experimentierfeld für den Gärtner, ein Atmungsventil für den beschäftigten Stadtbewohner? Sei es als zur Ansicht gepflanztes Grün oder Landschaftsarchitektur, sei es als Rest eines uralten Waldes, die Pflanzenwelt entkommt der Vermenschlichung nicht. Sie ist sowohl ein konkreter Raum als auch ein Sehnsuchtsraum, der vom Menschen erschaffen oder genossen wird. In urbanen Gärten werden Pflanzen nicht als Lebewesen wahrgenommen, sondern als nützliche und angenehme Konstruktion verwendet.

Zeitgenössische Gärtner entwickeln diesen Ansatz zwar weiter, jedoch unterscheidet sich der Lebensrhythmus der Pflanzenwelt erheblich vom menschlichen. Sich so weit wie möglich dem Pflanzenreich anzunähern ist in unseren von der animistischen Lebenswelt abgeschnittenen Gesellschaften ein äußerst schwieriges Unterfangen. Die Wissenschaft mag uns über die Empfindungsfähigkeiten oder die subtile Mobilität der Pflanzen aufklären, doch das Zusammenleben in einem gemeinsamen Lebensraum bleibt eine große Herausforderung. Wie können wir als „Sammler*innen“ der künstlerischen Schöpfung begegnen? Indem wir unsere kaum genutzten Sensoren wachrufen und die Automatismen überwinden, um uns als Besucher*innen mit unserem ganzen Körper auf die Begegnung mit dem Anderen einzulassen.

  • 13. Mai – 7. Juni 2019: dreiwöchige kollaborative Künstlerresidenz
  • 23. Mai 2019, 18 Uhr: Workshop mit Karine Bonneval, Information und Anmeldung: bonnevalkarine@gmail.com
  • 7. Juni 2019, 19 Uhr: Ausstellungseröffnung im Rahmen des Rendezvous im Garten 2019, Performance von Chloé Silbano
  • 8. Juni, 17:30 Uhr: Lecture von Karen Houle
  • 21. Juni 2019: Myriel Milicevic und Nina Blume: Bike Tour
  • 26. Juni 2019: Performance von Emmanuel Hubaut
  • 27. Juni 2019, 19:30 Uhr: “Between Us and Nature a Reading Club”, Sina Ribak und Eva-Fiore Kovacovsky, in Zusammenarbeit mit Zabriskie – Buchladen für Kultur & Natur (auf Englisch, rvsp only: betweenusnature@gmail.com bis 26.6.)
  • 18.10.2019 – 18.01.2020: Ausstellung OU /ERT: Phytophilie Chlorophobie Savoirs Situés, kuratiert von Jens Hauser und Anaiara Ronado in „Le Transpalette“ in Bourges, Präsentation ausgewählter Arbeiten von Karine Bonneval sowie des Katalogs „Dé-Jardiner“

Interview mit den Kuratorinnen

 Dé-jardiner <-> Rendezvous im Garten  Perspektive

Zurzeit findet gerade vorbereitend zur internationalen Gruppenausstellung die Künstlerresidenz im Berliner Projektraum gr_und statt. Es handelt sich dabei weniger um ein klassisches Ausstellungsprojekt als vielmehr einen „Vorschlagsparcours“, für den der Ausstellungsraum in ein Forschungsgelände umfunktioniert wird, in dem Erfahrungen, Wege und die Neu-Aneignung unserer Sinne erprobt werden. Geleitet wird dieser Parcours von Delphine Marinier und Karine Bonneval, die im Sommer 2018 im Berliner Botanischen Museum eine Ausstellung realisierte, an die das Projekt anknüpft. Eröffnet wird im Rahmen von „Rendezvous im Garten 2019“ am 7. Juni. Wir haben die Kuratorinnen zum Gespräch getroffen:

Karine, der Bezug zum Lebendigen sowie begleitende theoretische Untersuchungen sind eine Konstante in Deiner künstlerischen Arbeit. Wie kam es zu diesem Ansatz zwischen Naturwissenschaft und Kunst?

Karine Bonneval Eines Tages schienen mir die eigenen Lektüren für meine Forschung nicht mehr ausreichend und ich habe den Kontakt zu mehreren Forschungsgruppen im Bereich Pflanzenökologie gesucht. Ich hatte das Bedürfnis, mich mit Personen, deren Forschung Teil ihres alltäglichen Lebens ist, über die Beziehung zwischen Pflanzen und Mensch auszutauschen. Der Besuch von Laboren, Feldexperimente und diverse Gespräche haben mir einen neuen formalen Rahmen eröffnet, der wiederum meine künstlerische Praxis verändert hat. Es sind langfristige Austausche, die manchmal sogar neue Forschungsentwicklungen oder neue Beziehungen zwischen Laboren ermöglicht haben. Aus dieser Synergie komm ich auch einfach nicht mehr heraus.

 Dé-jardiner <-> Rendezvous im Garten

“comme un frisson assoupi”, Ausstellungsansicht, centre d’art Micro onde, 2018, Foto: Aurélien Mole

Bénédicte Ramade hat den Begriff „Dé-jardiner“ [Ent-gärtnern] im Rahmen der Ausstellung Jardin Infini im Centre Pompidou Metz 2017 eingeführt. Könntet Ihr uns kurz sagen, wieso Ihr den Begriff aufgenommen habt und in welcher Bedeutung?

Karine Bonneval und Delphine Marinier Im Text hat uns vor allem der erste Absatz inspiriert: Ramade zeigt darin auf, dass das, was wir heute unter Garten verstehen weit von der „klassischen“ Praxis entfernt ist und sich die Vorstellungen um den Begriff herum gewandelt haben. Deshalb schlägt sie den treffenderen Begriff „Dé-jardiner“ [Ent-gärtnern] vor. Entsprechend haben wir unser Projekt in der Auswahl der Künstler*innen und Werke nach Themen aufgebaut, die das Wasser, Werkzeuge, den Gasaustausch und Territorien aufgreifen.

Ihr bezeichnet das Projekt explizit als „Forschungsgelände“. Was passiert während der Residenzphase bis zur Eröffnung und wer ist alles involviert?

Karine Bonneval Die Residenz in gr_und hat es möglich gemacht, das Projekt visuell in situ umzusetzen und gemeinsam mit allen Beteiligten konzeptuelle, kuratorische und installative Fragen zum Projekt zu diskutieren. Ich habe in dieser ersten Phase der Residenz mit dem Musiker Emmanuel Hubaut zudem ein neues Klangstück entwickelt, das am 26. Juni präsentiert wird.

Am 23. Mai habe ich einen öffentlichen Workshop betreut, bei dem wir Bäume im gegenüber des Projektraums gelegenen Urnenfriedhof über ihren Klang entdeckten: Es ging darum, sich Zeit zu nehmen, zu schauen und diese lebendigen Entitäten, die uns überall in der Stadt umgeben, zu berühren.

Delphine Marinier Die Woche vor der Eröffnung wird zudem sehr intensiv, da es der Zeitpunkt ist, an dem sich alle Künstler*innen und Beteiligten vor Ort treffen, austauschen und gemeinsam das Projekt fertigstellen.

 Dé-jardiner <-> Rendezvous im Garten Chloé Silbano, Tenir debout, Video, (c) Chloé Silbano Perspektive

Chloé Silbano, Tenir debout, Video, (c) Chloé Silbano

Zudem ist die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet. Könntet Ihr uns kurz erzählen, was uns erwartet?

Karine Bonneval Dé-jardiner ist eine Veranstaltung, die wir konzipiert haben, um unterschiedliche Praktiken rund um die Ausstellung und den Ausstellungsort zu verankern. Diese Vorgangsweise ist meiner eigenen alltäglichen Praxis sehr nahe, in der unterschiedliche Akteure aufeinandertreffen und gemeinsam Projekte entwickeln.

Delphine Marinier Ziel ist es, dem Publikum über Dé-jardiner hinaus und darauf bezogen multidisziplinäre Erfahrungen anzubieten: Auf wissenschaftlicher und performativer Ebene mit einer von Myriel Milicevic und Nina Blume organisierten Radtour am 21. Juni, musikalisch mit Emmanuel Hubaut am 26. Juni, poetisch und philosophisch mit der Lecture von Karen Houle am Samstag nach der Eröffnung und dem Reading Club von Between Us And Nature am 27., oder natürlich auch die Performance von Chloé Silbano während der Eröffnung.

Vielen Dank für Eure Zeit, wir freuen uns sehr auf die Eröffnung und kommenden Veranstaltungen in gr_und in Berlin!

Alle Veranstaltungstermine während der Ausstellung:

  • 7. Juni, 19 Uhr: Ausstellungseröffnung im Rahmen des Rendezvous im Garten 2019, Performance von Chloé Silbano
  • 8. Juni, 17:30 Uhr: Karen Houle, Lecture
  • 21. Juni: Myriel Milicevic und Nina Blume, Bike Tour
  • 26. Juni: Emmanuel Hubaut, Performance
  • 27. Juni, 19:30 Uhr: Sina Ribak und Eva-Fiore Kovacovsky “Between Us and Nature: A Reading Club”, in Zusammenarbeit mit Zabriskie – Buchladen für Kultur & Natur (auf Englisch, rvsp: betweenusnature@gmail.com bis 26.6.)

 


Das Gespräch wurde im Mai 2019 mit Stefanie Steps, Kulturbeauftragte des Bureau des arts plastiques, geführt.
 Dé-jardiner <-> Rendezvous im Garten Vorbereitungen für die Performance von Emmanuel Hubaut Perspektive
Vorbereitungen für die Performance von Emmanuel Hubaut